Krise & Chancen

Corona - Die Krone der Krise und ihre Chancen

von Dr.med. Elisabeth Höppel, März 2020

Trickreiche Viren
Viren sind nicht einmal richtige Zellen, nur winzige Partikel. Sie werden von manchen nicht zu den Lebewesen gezählt, weil sie keinen eigenen Stoffwechsel betreiben und sich nicht alleine fortpflanzen können. Und doch wollen auch sie als Bestandteil der Natur überleben und sich vermehren. Dafür missbrauchen sie trickreich fremde Zellen und bringen diese dazu, für sie als „Virusfabrik“ zu arbeiten. Dann zerstören sie ihren Wirt und suchen sich einen neuen. Sie können das Immunsystem hinters Licht führen und es sogar dazu bringen, die eigenen Zellen zu zerstören. Insofern wird vermutet, dass sie Auslöser für Autoimmunkrankheiten sein können. Wegen ihrer großen Resistenz, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit lassen sie sich schwer bekämpfen. Medikamente sind wirkungslos. Die einzige Möglichkeit ist der „Nahkampf“ eines schlagkräftigen Immunsystems, das die Invasion begrenzt und die Eindringlinge vernichtet.

Ist das fair?
Angesichts solcher Hinterlist könnte man natürlich empört sein – doch das nützt wenig. Die Natur hat es so eingerichtet. Alles unterliegt ihren Gesetzen, von denen wir heute viel zu wenig Ahnung haben. Hier ist alles auf Vervielfältigung und Wachstum ausgerichtet. Sie ist rau, wild, unberechenbar und nach unseren Vorstellungen oft grausam. Wenn wir gedacht haben, wir könnten uns darüber erheben, so werden wir jetzt eines Besseren belehrt.
Und genau betrachtet machen Menschen dasselbe. Nur den eigenen Vorteil im Sinn beuten sie die Erde gnadenlos aus, ohne etwas zurückzugeben und leben auf Kosten anderer im Luxus. 

Der Kampf mit den Seuchen
Das Mittelalter gilt als die große Zeit der Seuchen, bedingt durch Mangelernährung und schlechte Hygiene. Am bekanntesten ist der „schwarze Tod“ – die Pest raffte über Jahre hinweg ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahin. Am Pockenvirus erkrankten und starben sogar noch mehr. Viel später, nach dem 1.Weltkrieg kostete die spanische Grippe in kürzester Zeit vermutlich doppelt so viele Menschen das Leben. Warum das damals vor allem Jüngere zwischen 30 und 40 betraf, ist trotz aller Erklärungsversuche ebenso mysteriös wie jetzt die Tatsache, dass die Covid-19-Epdidemie in Italien so viel schlimmer verläuft. 

Mit der Entdeckung von Antibiotika, Desinfektionsmitteln und Impfungen wähnte man sich in Sicherheit. Und dann wurde vieles übertrieben, was letztlich wieder das Gegenteil bewirkte. Dem Immunsystem fehlt das Training. Stattdessen kämpft es in der Allergie gegen Harmloses oder greift den eigenen Körper an. Es gibt immer mehr resistente Bakterien. Die Ernährung erzeugt jetzt durch zu viel und zu künstlich eine andere Art von Mangel. Luft, Boden und Wasser sind vergiftet. Umwelt-Verschmutzung führt zu Inwelt-Verschmutzung. Am meisten wird das Immunsystem durch eine völlig entfremdete und stresserzeugende Lebensweise geschwächt. Insofern sind die Chancen an einer der sog. Zivilisationskrankheiten wie verstopfte Herzkranzgefäße oder Krebs zu sterben um ein Vielfaches höher als an einer Infektion. 

Ganzheitliche Betrachtung, individuell und kollektiv
In der ganzheitlichen Medizin unterscheidet man sehr zwischen akutem und chronischem Kranksein. Ersteres kann sogar dem gesamten Gesundheitszustand dienen, weil es die Kraft des Immunsystems fördert und chronische Tendenzen löst. Je nachdem wie stark oder schwach die Lebenskraft ist, kann man natürlich so einen Kampf auch verlieren. 

Die Homöopathie hat erkannt, dass die Reihenfolge körperlich psychisch geistig eine Verschlimmerung von Erkrankungen bedeutet. Umgekehrt geht es in die Richtung von Heilung. Eine geistige Erkrankung geht am tiefsten und verändert einen Menschen am meisten.
Kollektiv gesehen sind wir von den früheren akuten Infektionen zu chronischen körperlichen Krankheiten gelangt und in der letzten Zeit zunehmend bei der Depression und einer wahnhaften Verkennung der Realität gelandet. Davon werden wir gerade kuriert. Insofern könnte genau in dem, was wir als furchtbar ansehen, auch die Chance einer Reinigung bestehen.
Und wie beim Individuum taucht als erstes nach dem Lüften des Depressions-Deckels das Gefühl der Angst auf. 

Aus Angst wird Mut
Angst ist ein natürlicher Bestandteil unseres fragilen Mensch-Seins und ein hilfreiches Werkzeug, um in außergewöhnlichen Situationen wach zu sein und kreative Lösungen zu finden. Ohne Angst hätte keiner die Steinzeit überlebt, und es gäbe uns nicht mehr. Zu den Grundängsten gehören die vor Krankheit und Tod. Wie sollte das auch anders sein – der Tod ist die größte Unbekannte in unserem Leben. 

Unsinnigerweise versuchen wir, sie loszuwerden mit dem Resultat, dass sie dann weiter zunimmt. In der Psychotherapie weiß man, dass Vermeidung Angst vor der Angst bedeutet und das Ganze so nur eskaliert. In unserer westlichen Welt gibt es nur wenig real gefährliche Situationen. Stattdessen erzeugen wir über Gedanken und Vorstellungen sehr viel „gebremste“, unbewusste Angst in Form von Sorgen, Zweifeln und Bedenken. Damit kämpft man dann wieder – ein stressbeladener Teufelskreis, der Kraft kostet und Entspannung verhindert. 

In der Corona-Pandemie hat diese aufgestaute Angst etwas gefunden, wo sie andocken kann. Die Krankheit selber ist ja nicht so schlimm, aber der Kontrollverlust. Um das zu verdrängen, machen die „kleinen Leute“ blinde Hamsterkäufe und die Politiker erlassen sinnlose Verordnungen. Obwohl Händewaschen mit Wasser und Seife die beste Methode ist, werden panisch Desinfektionsmittel eingesetzt, die das Milieu der Haut stören und uns so wieder anfälliger machen. 

Und doch könnte es eine Chance sein, dass mehr Menschen sich ihrer Angst bewusst werden.
Wenn wir sie mehr fühlen, erleben wir das Leben vielleicht als Abenteuer und wachsen über uns hinaus, indem wir uns „zitternd“ den Überraschungen aussetzen, die es mit sich bringt. Aus Angst wird Mut … 

Strategie der Vermeidung
Dieselbe Vermeidungs-Strategie fährt man auch bei Infektionen. Das hat seine Berechtigung – aber auch Begrenzung. Wenn wie jetzt ein neues Virus auftaucht, kann es hilfreich sein, die Geschwächten zu schützen – aber gleichzeitig müssen sich vielleicht die Kräftigeren tatsächlich damit auseinander setzen, um durch Antikörper besser gerüstet zu sein und dem Ganzen Einhalt zu gebieten.

Impfungen stellen das Paradebeispiel für eine illusionäre Sicherheit dar. Wie Versicherungen sind sie mittlerweile ein großer wirtschaftlicher Markt, das erfolgreiche Geschäft mit der Angstvermeidung. Gleichzeitig schneiden wir uns aber so von der Wirklichkeit des Lebens ab, zu der auch Milliarden von unsichtbaren Keimen gehören. T.S. Eliot sagte treffend: „Die Menschheit kann nicht sehr viel Realität ertragen“.

Epidemien haben ebenfalls ihre eigenen Gesetze und bestimmt ihren Sinn. Statistiken über die Jahrzehnte zeigen, dass das Verschwinden von Krankheiten und das Einführen von Impfungen zeitlich auseinanderfallen. Sie bieten keinen 100%igen Schutz und können sogar das Gegenteil bewirken – z.B. resultierten aus der BCG-Impfung mehr Erkrankungen. Es dauerte aber 25 Jahre, bis man sich das eingestand und sie aus dem Programm nahm. Jetzt führt man eine Impfpflicht ein für eine Kinderkrankheit, die nur in 0,001% zu Komplikationen führt. Die Absurdität zeigt sich darin, dass die selten auftretende Enzephalitis zwar mit dem Abnehmen der Masern auch zurück ging – jedoch sind andere Erreger „in die Bresche gesprungen“, und es gibt dann beispielsweise mehr Gehirnentzündungen durch Herpes-Viren.
Wir maßen uns an, die Natur kontrollieren zu können – doch Krankheiten kommen und gehen, auch ohne unser Zutun. Statt der Syphilis haben wir jetzt Borreliose und AIDS. 

Absolutheitsansprüche 

Weil wir uns überwiegend eine Scheinwelt aufgebaut haben, tritt am Anfang einer schwierigen Situation erst einmal das Phänomen des Nicht-Wahr-Haben-Wollens auf. Die Erkenntnis dass eine Veränderung Realität und kein Film ist, braucht meist einige Zeit.
Viele gehen dann auch in eine Art von Entrüstung – „So etwas sollte es doch nicht geben!“ Das führt dazu, dass Gefühle sich in ihren Schatten drehen: Angst wird lähmend, gesunde Wutkraft mutiert zu Haß und Ablehnung. Die einen suchen nach einem Schuldigen, die anderen nach jemandem, der das Problem für sie löst und ihnen sagt, was sie tun sollen – beides Zeichen kindlicher Unreife. 

Ja, natürlich wollen wir möglichst gut leben, gesund sein, alt werden. Das ist auch jedem von Herzen zu wünschen. Doch wir haben keinen Anspruch darauf. Zum Mensch-Sein gehören auch Unsicherheit und Leid. Jeden Moment kann etwas passieren, ein Unfall, eine Krankheit, ein Schicksalsschlag. Das einzig Sichere im Leben ist, dass es irgendwann mit dem Tode endet. Unsere Zeit ist begrenzt. Wenn wir solche Wahrheiten hartnäckig verdrängen, können wir letztlich mit seinen Stürmen schlechter umgehen. 

Tiernatur und Bewusstsein
Wir Menschen haben beides, das höhere Bewusstsein und die niederen Triebe. Gerade in Notzeiten kommt oft letzteres mehr zum Vorschein – überleben um jeden Preis – „Hauptsache ich bleibe heil und kriege genug zu essen“. Heute wie früher geht es in erster Linie um Macht, um Konkurrenz, um Gewinnen. Es ist besser, sich dessen bewusst zu sein als das zu verleugnen oder damit zu kämpfen. Sonst rutscht es nur in den Schatten und erscheint durch die Hintertüre um so stärker. Erst wenn ich damit im Frieden bin, kann Raum entstehen für menschliche Qualitäten wie Liebe, Güte und Mitgefühl. Unruhige Zeiten stellen einen heilsamen „Prüfstand“ dar und zeigen, was ich tatsächlich entwickelt und was ich mir nur eingeredet habe. So wie sich eine Beziehung erst dann bewährt, wenn sie Schwierigkeiten ausgesetzt ist. 

Und alles hat in unserer Welt seine zwei Seiten, nichts ist nur gut oder nur schlecht. Andererseits könnten wir uns an Tieren ein Beispiel nehmen. Sie hadern nicht mit Unausweichlichem, sondern fügen sich in den Lauf der Natur. Wenn ihre Zeit gekommen ist, hören sie auf zu fressen und sterben. 

Schuld und Verantwortung
Einen Schuldigen zu brauchen, zeugt von der Unfähigkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das fällt uns Menschen tatsächlich schwer. Angesichts des Desasters, das wir auf der Erde angerichtet haben, ist das auch verständlich. In Verblendung und Eigennutz sägen wir den Ast ab, auf dem wir sitzen, halten den Blick krampfhaft auf die Oberfläche gerichtet und weigern uns, tiefer zu schauen. Auf eine verschimmelte, bröckelige Wand wird eine Tapete geklebt, die sich jetzt gerade ablöst. 

In Bezug auf Krankheit heißt das „Hauptsache, das Symptom ist erst einmal weg.“ Dass Eingriffe in die Natur auch Folgen haben und alles seinen Preis kostet, verdrängt man lieber. Impfungen und Antibiotika schwächen das Immunsystem, verschiedene Medikamente erhöhen nach neuesten Erkenntnissen das Auftreten eines Zellrezeptors, der dem Virus den Eintritt in die Zellen ermöglicht. 

Der Kern der Krankheit
Das Covid-19-Virus befällt in erster Linie die Lunge, manchmal auch den Darm. Aus der chinesischen Medizin weiß man, dass beide Organe gekoppelt sind. Ihre Aufgabe ist die Trennung, O2 von CO2, Nährstoffe von Abfall. Hierher gehört das Gefühl der Trauer – das einzig sinnvolle Gefühl, wenn Trennung und Verlust stattfinden, wenn etwas anders ist, als ich es mir wünsche, ohne dass ich es verändern kann. Verdrängte Trauer schwächt die Lunge und führt zu Erkrankungen der Atemwege. Trauer hat mit Ohnmacht zu tun, sich einzugestehen, dass man nichts mehr tun kann. Sie zuzulassen, macht weich und demütig.
Die Welt steht am Abgrund. Die Umweltzerstörung hat Ausmaße angenommen, die nicht komplett rückgängig gemacht werden können. Um wirklich Verantwortung zu übernehmen und zu lernen, müssen wir, so schmerzhaft es auch ist, unsere Fehler eingestehen und die traurige Wahrheit beweinen. 

Doch auch dieses Gefühl wird um jeden Preis vermieden. Lieber geht man in blinden Aktionismus als Hilflosigkeit zuzugeben. 

Männliches und weibliches Prinzip
Die Welt wird heute regiert vom männlichen Prinzip. Denken, Verstehen, Analysieren, Erforschen zählt, aktives Handeln ist gefragt. Wir haben uns ins Geistige geflüchtet und die Beziehung zur Erde verloren, die dem Weiblichen entspricht. Wie alles Verdrängte holt es uns über den Schatten wieder ein. Das Materielle scheint Macht zu verleihen und hat doch in erster Linie Macht über uns. Es geht nicht darum, dass das eine besser oder schlechter ist als das andere, sondern wie es sich wieder verbinden kann. Über einen langen Zeitraum schien die Erde alles mit sich machen zu lassen, Ausbeutung und Misshandlung zu erdulden. Das scheint sich nun zu verändern. Immer mehr Katastrophen und jetzt ein winziges Eiweißmolekül versuchen, uns vom Irrglauben zu heilen, dass wir die Natur beherrschen können. Letztlich sind wir klein und unbedeutend. Wir dürfen eine Weile hier sein und dann wieder gehen. Hier auf der Erde sind wir äußeren Einflüssen ausgesetzt, einem Schicksal unterworfen, das Krankheit und Tod mit sich bringt. Und wir wissen nichts über diese tieferen Ordnungen. 

Bestimmung und Schicksal
Wir können niemals erfassen, wieso der eine ein leichtes oder ein langes Leben hat und der andere viel Schweres ertragen muss oder nur sehr kurz lebt. Das ist viel zu groß für uns. Der Mensch maßt sich an, hier eingreifen zu können und verweigert oft alten Menschen, dass sie in Frieden gehen können. Leben so lange wie möglich um jeden Preis, auch wenn man nur noch mit zahllosen Medikamenten dahin vegetiert, scheint jetzt nicht mehr vorgesehen zu sein. 

Wenn ein Mensch sich seinem Schicksal stellt, hat das eine große Kraft und Würde. Sich davor zu verneigen auch.
Einerseits ist es natürlich tragisch, wenn jetzt viele so schnell und gleichzeitig sterben, doch vielleicht wird auch der Tod von anderen verhindert, weil die Natur sich erholen kann. Binnen kürzester Zeit ist die Luft reiner geworden. Fische sind in Venedigs Kanäle zurück gekehrt. 

Der Tod klopft leise an unsere Tür und mahnt, dass er dazu gehört und dass alles vergänglich ist. In der 3.Welt leben die Menschen viel näher an diesen Realitäten. Jedes Jahr sterben geschätzte 9 Millionen Menschen an Hunger. Seuchen sind an der Tagesordnung. Über eine mit einer derart niedrigen Letalität wie Corona wäre man dort eher froh. Wir leben hier immer noch sehr behütet und gut versorgt. Gleichzeitig sieht man bei uns viel mehr unzufriedene Gesichter als dort. 

Ich habe in der letzten Zeit festgestellt, wie die Dankbarkeit wächst, wenn Dinge nicht mehr so selbstverständlich sind – kleine Freuden, z.B. über den funktionierenden Lichtschalter nach einem sturmbedingten Stromausfall oder beim Einkaufen etwas zu bekommen, was es länger nicht gab. 

Die Krone der Schöpfung?
Eigentlich sollten wir Menschen das sein, indem wir unsere Aufgabe als Hüter der Welt erfüllen. Das mißlang uns gründlich; wir sind den Verlockungen des Machtmissbrauchs erlegen. Dafür zahlen wir mit Entwurzelung und dem Fehlen von Vertrauen, weil wir eine tiefere Verbindung verloren haben.

Da scheint jemand Sinn für Humor zu haben. Das Virus, das uns aus unserer Illusion reißt, wir hätten alles im Griff und es könne uns nichts passieren, heißt Corona, die Krone. Und welche Ironie: Es bringt uns dazu, selbst die Seifenblase aus Konsum und Materialismus zum Platzen zu bringen, die Wirtschaft zu ruinieren durch panische Über-Reaktion auf eine moderate Gefahr. 

Insofern ist es eine milde, aber wirksame Lektion, die uns hilft, Schritte zu tun, die wir sonst nie geschafft hätten. Und wenn wir wieder zurückkehren in alte Gleise, bekommen wir hoffentlich eine neue Chance zum Lernen. Es hätte auch ein Meteorit die Erde auslöschen können. 

Ein Lehrmeister namens Corona
Das stachelige Virus unterscheidet nicht zwischen Nationalität, Geschlecht, Bildung oder Position. Es betrifft Politiker und Prominente genau so wie einfache Menschen. Natürlich sind die Reaktionen je nach Prägung und Temperament unterschiedlich – Italiener singen und tanzen in der Quarantäne, Franzosen horten Rotwein, Deutsche schlagen sich ums Klopapier. Auch individuell neigt der eine mehr zur Krankheits-Angst als der andere. Wie schön, dass es so eine Vielfalt gibt! Doch insgesamt verbindet es uns alle an der Basis, in unserem verletzlichen Mensch-Sein. 

Viren zeigen uns besonders deutlich, wie alles in beständiger Veränderung ist. Wir wissen nicht, ob das nur die Generalprobe ist, es durch plötzlichen Gestaltwandel schlimmer wird oder ob es einfach wieder verschwindet wie sein Vorgänger im Jahr 2004. 

Krise als Chance
Auf einmal ist so einiges möglich, das vorher undenkbar schien. Die Geschäftsleute müssen nicht mehr durch die Welt jetten. Viele können von zu Hause aus arbeiten. Auf Reisen und Freizeitvergnügungen wird verzichtet. Eine wohltuende Stille ist zurückgekehrt, Lärm und Hektik haben aufgehört.
Vielleicht erkennen die Menschen jetzt eher, dass sie sich getäuscht haben, dass es eine Sackgasse war. Vielleicht verbindet die gemeinsame Gefahr die Menschen wieder mehr. Wer weiß, was sonst passiert wäre. Jetzt sind Politiker mit Gesundheitsthemen beschäftigt anstatt in andere Länder einzumarschieren. 

Ich habe ein weinendes Auge, und fühle mit den leidenden Menschen, aber auch ein lachendes, weil die Erde sich endlich wehrt, weil sich jetzt deutlicher zeigt, dass eine Ära zu Ende geht und etwas Neues kommen möchte. 

Was tun?
Wir haben eine Gesellschaft, die sehr auf das Individuelle ausgerichtet ist. Insofern sorgt sich natürlich jeder in erster Linie um das eigene Wohl. Als Ärztin werde ich vor allem gefragt, was man vorbeugend tun kann. Jeder hofft auf ein Patentrezept, doch das gibt es nicht. Nachdem wir hier auf unser eigenes Immunsystem, also die eigene Kraft angewiesen sind und nicht einfach wie gewohnt irgendwelche Pillen schlucken können, ist ein wichtiger Faktor, wie wir mit uns umgehen. Der Verkauf von Fertiggerichten hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Vielleicht bleibt jetzt wieder mehr Zeit, zu kochen und ausreichend zu schlafen. 

Ich rate dazu, sich Raum für sich zu nehmen, freundlich mit sich zu sein, sich die Gefühle von Angst und Unsicherheit zu erlauben, zu spüren, was einem wohl tut. Nachrichtenkonsum auf ein Minimum zu beschränken und sich dem Einfluß der Medien zu entziehen, die nur Panik verbreiten, ohne Grund. Lieber sich an Corona anstecken als an Massenhysterie – man hat die besten Chancen, das gut zu überstehen und sogar etwas daraus zu gewinnen.
Wahrzunehmen, wie die Natur gänzlich unbeeindruckt von unserem Chaos den Frühling einläutet. Die Knospen sprießen, die Vögel zwitschern, die Sonne wärmt.
Einander Mut zusprechen, auch sich selber. Das Herz offen halten für die, die in Not sind. Auch einmal weinen. Tränen tun oft so gut.
Rückschau halten auf das Leben, sich fragen, was ich noch gerne möchte, was es noch zu klären gibt. Sich mit Sinnfragen beschäftigen. Wir haben uns so begrenzt auf ein Leben nur an der Oberfläche und schöpfen das Potential des menschlichen Bewusstseins nicht aus.
Sich innerlich gut vorbereiten – sowohl auf einen möglichen Kampf als auch darauf zu verlieren, bald alles zurücklassen zu müssen.
Innerlich werden ganz neue Qualitäten möglich. Wenn ich einbeziehe, dass jeder Tag mein letzter sein könnte, lebe ich jeden Moment viel intensiver. Auf einmal staune ich vielleicht über diese schreckliche und wunderbare Welt, entdecke ihren Zauber wieder. 

Vertrauen
Eben nicht mehr so viel tun – wir sind ja sowieso so hyperaktiv. Die Dinge mehr auf sich zukommen lassen und nach innen lauschen.
Das letzte Vermächtnis von Buddha, der sich wie kein zweiter mit dem Leid im menschlichen Leben beschäftigte, war der wunderbare Satz: „Sei Dir selbst ein Licht, sei Dir selbst eine Zuflucht.“ Wenn ich in mir eine kleine Insel finde inmitten der Stürme, kann ich leichter mit den Wogen umgehen. 

Der Satz „Du kannst nicht weiter fallen als in Gottes Hand“ erinnert an die Qualität von Vertrauen.
In Krisenzeiten kann der eine oder andere vielleicht wieder zum Gebet finden und nicht nur darum bitten, heil davonzukommen, sondern Hilfe zu erhalten, seinen Weg aufrecht bis zum Ende zu gehen und das Schicksal seiner Seele zu erfüllen, so wie es vorgesehen ist.

Corona - Katalysator, Sündenbock und Lehrmeister

Dr.med. Elisabeth Höppel, ausformulierte Rede in Passau, Juni 2020

  • Corona als Katalysator 

Was bedeutet ein Katalysator? – Einfach etwas, das Prozesse, die bereits im Gang sind, intensiviert und beschleunigt. Ob wir es wollen oder nicht, wir haben nun eine Zeit von großer Veränderung, ohne dass man genau weiß, wohin die Reise führt. Auf jeden Fall geht etwas unvermeidlich zu Ende. Das hat sich schon länger angekündigt – auch aus einer Notwendigkeit heraus. Jetzt zeigt es sich unübersehbar. Es gibt kein Zurück. Der afroamerikanische Historiker Eddie Glaude sagte kürzlich: „Während eine alte Welt stirbt, versucht eine neue geboren zu werden. Und wir sind die Hebammen.“

Weil wir Menschen lieber im Alten und Vertrauten bleiben, egal wie destruktiv es ist, entstehen da natürlich sowohl Ängste als auch Widerstände. Auch die Angst war schon lange vorher da, nur unterdrückt. Sie zeigte sich vor allem in Form von Krankheiten, den sogenannten Stress-Erkrankungen, wie hoher Blutdruck aber auch Störungen des Immunsystems, das hier empfindlich reagiert. Die „Panikmache“ fiel so auf fruchtbaren Boden. Es gehören immer zwei dazu – einer der Angst macht und einer, der darauf einsteigt. 

Es gibt Grundängste der Menschheit. Dazu gehören die vor Krankheit und Tod, und das betrifft jeden, egal wie weit man sie verdrängt. In neuen Situationen wie jetzt ist Furcht sogar wichtig, denn sie macht wach und kreativ. Ohne sie hätte keiner die Steinzeit überlebt. Wie Thich Nhat Hanh sagte: Aus Angst wird Mut. Mut bedeutet nicht, mit zusammengebissenen Zähnen sich und anderen einzureden, man sei furchtlos, sondern weiter zu gehen, obwohl die Knie zittern. Es ist also gut, sich die Angst zu gestatten und vor allem auch den Kindern zu zeigen, dass sie ganz natürlich zum Menschsein gehört. 

Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen einer echten und einer vorgestellten Gefahr, wie man jetzt kollektiv sehr gut sieht: trotz fehlender realer Gefahrensituation herrscht allgemeine Panikstimmung. Es erzeugt dieselbe Angst – auch egal weswegen. Die einen fürchten sich vor dem Virus, die anderen vor der Zwangsimpfung. Insofern muss man lernen, zu unterscheiden und aus angsterzeugenden Gedanken auszusteigen. Hilfreich ist hier vor allem ein „Realitätscheck“. Den Atem und die Füße auf dem Boden zu spüren, hilft am leichtesten zurück in den Moment. Unser Körper ist immer im Jetzt. Im Kopf drehen sich Angstgedanken, und real scheint die Sonne und die Vögel zwitschern. Hier können wir uns auch kleine Kinder als Vorbild nehmen – sie sind da noch „gesegnet“. Sie nehmen das Leben ganz unmittelbar so wie es ist, ohne mit gestern zu hadern oder sich wegen morgen zu sorgen. 

Ein wichtiges Phänomen bei der Angst, das wir häufig übersehen, vor allem weil sie schnell einen Fluchtreflex erzeugt: Wenn ich sie vermeide, dann wird sie eher mehr, dann habe ich nämlich Angst vor der Angst. Und dann geht sie in ihre Schattenseite und lähmt. Ein Beispiel: Während meiner Zeit an der Universitätsklinik sollte ich Forschungs-Ergebnisse auf einem großen Kongress präsentieren. Ich hatte große Angst davor – auch das Sprechen vor einer größeren Versammlung gehört zu den allgemeinen Grundängsten – und wollte sie nicht haben, also „kniff“ ich und bat jemand anderen darum. Dadurch blieb das Ganze natürlich nur aufgestaut. Erst als ich es Jahre später wagte, mit und trotz meiner Angst Vorträge zu halten, wurde das viel leichter.

Sie kann auch in Wut, in Ablehnung umschlagen. Das beobachtet man oft: etwas das anders und fremd ist, macht Angst und wird abgelehnt – egal ob Ausländer oder „Verschwörungstheoretiker“. Sogenannte Machtmenschen haben besonders viel Angst, allerdings ganz unbewusst – vor allem die vor Fehlern und Blamage. Das kann man z.B. bei Politikern stark beobachten: Jeder lauert nur auf eine Schwäche des anderen, um ihn dann „zu zerfleischen“. Dieser zwischenmenschliche Umgang ist kein gutes Vorbild. Kinder werden meist geschimpft, wenn sie sich so verhalten. Und man darf sich selber an die Nase fassen, vielleicht kennt man das ja auch – denn es ist letztlich auch menschlich. Vor allem unter Druck tendieren wir, in unsere „Tiernatur“ zu fallen, wo es nur noch um Kampf oder Flucht, Gewinnen oder Verlieren geht. Die gehört auch zu uns Menschen. Wir sind keine Engel und haben alle auch „dunkle“ Seiten. 

  • Corona als Sündenbock 

Bodo Schiffmann hat einmal gesagt, das Virus könne einem fast leid tun, weil es als übler Bösewicht gilt und an allem schuld ist. Natürlich braucht es unser Mitgefühl nicht – das macht ihm alles nichts aus. Es will einfach leben und sich vermehren. Selber hat es übrigens gar kein Problem mit Fehlern, im Gegenteil: Als RNA-Virus hat es nicht einmal eine Doppelhelix, was es extrem instabil und störanfällig macht. 

Natürlich ist es nicht verkehrt, sein Bestes zu geben. Doch wie bei der Angst fördert ein Zuviel an Vermeidung wieder eher die Schattenseite: Wenn ich keine Fehler machen darf, übertreibe ich. Das sieht man sowohl an den Maßnahmen der Politik als auch sehr viel in der Schulmedizin. Es geht oft nicht um das Wohl des Patienten, sondern um eine Checkliste, die abgehakt werden muss. So entsteht das Phänomen, dass unsere Medizin erstens teuer ist, weil man sehr viel unnötige Diagnostik betreibt als auch oft schädlich durch unsinnige Therapien, nur um dem Vorwurf zu entgehen, man habe etwas versäumt.

Beim Thema Gewissensangst, z.B. „schuldig“ zu werden und jemanden anzustecken, sind wir Deutschen wegen unserer nicht aufgearbeiteten Vergangenheit vermutlich besonders anfällig. Man beobachtet häufig das absurde Phänomen, dass bei einem Problem als erstes geschaut wird, wer schuld ist, anstatt sich um eine gute Lösung zu kümmern. Insofern funktioniert es natürlich auch besonders gut, den Leuten zu suggerieren, dass sie durch kritikloses Mitmachen eine weiße Weste haben und „gute“ Menschen sind. Das 2 

trägt auch dem Bedürfnis Rechnung, zur Mehrheit dazuzugehören – Außenseiter und Andersdenkende gelten hingegen als „böse“ und gefährlich.

Doch so bleibe ich unreif, suche nur nach Rettern oder Schuldigen und kann schlecht Verantwortung übernehmen. Echte Verantwortlichkeit heißt, selber entscheiden, Fehler zugeben, die Konsequenzen tragen, auch wenn das manchmal schmerzhaft ist. Aber es hat Kraft. Die ewige Vermeidung schwächt und macht starr. Fehler sind da, um daraus zu lernen. Und wir sind auf der Welt, um zu lernen, deswegen müssen wir sie machen. Das sollte man auch den Kindern vermitteln, die heute ebenfalls unter einem unglaublichen Perfektionsdruck stehen. Und da sie vor allem durch Wahrnehmen und Nachahmen lernen, müssen wir es ihnen nur vormachen, indem wir uns selber als „fehlbar“ zeigen. Dazu gehört wiederum mehr Mut, als geschickt Fehler vor uns und anderen zu vertuschen. 

Beim Thema Sündenbock geht es um eine Polarisierung in gut und böse, um Täter-Opfer-Dynamiken. Diese starken Spaltungen nehmen gerade besonders zu. Wer weiß, vielleicht muss das Pendel jetzt nochmals besonders stark ausschlagen in ein extremes „Entweder-Oder“ bevor ein „Sowohl-Als auch“ daraus werden kann? 

Diffamieren bringt nichts, es verstärkt nur die Dynamik. Es genügt, so viel „Wutkraft“ zu erzeugen, um klar sagen zu können, was ich will und was nicht und dafür einzutreten. Andere Sichtweisen sollten dabei respektiert werden. Das Verurteilen überlassen wir lieber den Juristen.
Manchmal gibt es eine Realität, die ich nicht will, aber auch nicht ändern kann: Unabhängig wer nun schuld ist, wir haben eine Krise. 

  • Corona als Lehrmeister 

Max Frisch sagte: „Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Sie bedeutet, das Alte funktioniert nicht mehr, und etwas Neues ist noch nicht da – also keine einfache Zeit. Ich begleite viele Menschen durch individuelle Krisen. Jetzt betrifft es das Kollektiv. In meiner Arbeit und durch eigene Erfahrung sehe ich regelmäßig, wie Krisen und Krankheiten ein großes Potential haben für eine Heilung auf tieferer Ebene, wenn wir uns darauf einlassen. Vom Bild her: je tiefer man in die Knie geht, desto größer kann nachher der Sprung werden. 

Was bekommen wir gerade gezeigt, was dürfen wir lernen?
Wir sind sehr stark in einen Pol gegangen, in die linke Gehirnhälfte – Analyse, Denken, Wissen, rationaler Verstand. Keine Frage, die Naturwissenschaft hat uns ein großes Stück weit gebracht, viele Vorgänge besser zu verstehen. Doch jetzt geht es hier nicht mehr weiter.

Einstein sagte, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind. Die Epidemiologie und Virologie zeigt uns exemplarisch die Begrenzungen: Ja, es gibt Statistiken und eine Wahrscheinlichkeit – und doch kann man nur sehr wenig sagen. Das meiste ist Spekulation, Labortests zeigen sich erschreckend unzuverlässig, es bleibt unklar, wieso es „Hotspots“ wie Italien oder Heinsberg gibt. Wie der Kollege Prof. Gaidzik treffend äußerte: „Wir stochern mit einer langen Stange im Nebel herum.“ Um nochmals Einstein zu zitieren, der zum einen sicher ein „kluger Kopf“ war, aber auch Zugang zu tieferen Weisheiten und anderen Ebenen hatte: „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“. Hier sind uns wieder die Kinder überlegen. Und: „Die Intuition ist das heilige Geschenk und der Verstand der treue Diener.“ Das haben wir heute vergessen und dürfen uns wieder daran erinnern. Die Tatsache, dass die Nervenbahnen, die vom sog. „Bauchhirn“ zum Kopfhirn nach oben führen um ein Vielfaches stärker ausgeprägt sind als umgekehrt, spricht eine deutliche Sprache. Der Kopf ist nur eine Schaltzentrale und hat viel zu viel Macht bekommen.

Solche „Universalgelehrten“ wie Einstein gibt es heute kaum noch. Stattdessen haben wir immer mehr Spezialisierung – auch in der Medizin: der Mensch wird zergliedert, wie eine Maschine betrachtet und auf Befunde reduziert. Therapeutisch beschränkt man sich auf das alleinige Wegmachen von Symptomen. Dass ein Mensch ein lebendes Wesen ist mit Bedürfnissen, Gefühlen, Beziehungen, Bewusstsein und Persönlichkeit, die sich entwickeln möchten, erachtet man für unwichtig. Was ist das Resultat? Die meisten Menschen sind tief verunsichert und vertrauen weder ihrem eigenen Gefühl noch ihrem Körper. Das ist ein großer Teil meiner Arbeit, sie zu beruhigen und zu ermutigen, diese Verbindung und ihre Intuition wieder zu finden.

Es zeigt sich ein merkwürdiges „Ablenkungsmanöver“: Infektionen sind heute unser geringstes Problem. Im Mittelalter war das noch anders. Jetzt haben wir viel schlimmere Themen – z.B. Krebs und Herz-Kreislauf- Erkrankungen mit vielen Millionen Toten jedes Jahr und kontinuierlich steigenden Zahlen. Und von der Volkskrankheit Allergie ging es über immer mehr Autoimmun-Krankheiten – beides Ausdruck eines verwirrten Immunsystems – mittlerweile zur häufigsten Erkrankung, der Depression, die sich hinter einer Vielzahl von Beschwerden, vor allem chronischen Schmerzen, verbirgt. Ja, die Menschen werden immer älter. Wir haben mehr Quantität, aber zu Lasten der Qualität.

Das fügt sich ins Gesamtbild: Wir leben nur an der Oberfläche, im Konsum, im Materiellen, im Schneller- Weiter-Höher. Wir beuten unsere Lebensgrundlage gnadenlos aus, sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen und rotten nicht nur Viren aus sondern ganze Spezies. Wir haben uns abgeschnitten sowohl von einer vertikalen Ausrichtung zu Höherem als auch horizontal von einer echten Verbindung mit der Erde. Solchermaßen entwurzelt, sind wir natürlich Spielball vieler Ängste und zahlen einen hohen Preis für unseren Wohlstand. Krishnamurti sagte: „Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine zutiefst kranke Gesellschaft zu sein.“ Wir haben uns gewöhnt an dieses „Irrenhaus“, das sich jetzt als solches klarer zeigt. Die gute Nachricht: Erkenntnis und Bewusstsein bringen per se Chancen, ohne dass man etwas tun muss. 

 

Eine 4-jährige sagte neulich: „Mama ich bin so traurig, und ich weiß nicht warum“. Hut ab vor diesem Kind, das mehr wahrnimmt als viele Erwachsene. Ja, es ist sehr traurig, wo wir Menschen gelandet sind und was wir aus diesem schönen Planeten gemacht haben. Wir vergaßen, dass wir als Krone der Schöpfung die Hüter der Erde sein sollten. Und doch ist sie weiterhin unendlich großzügig. Sie beschenkt uns jeden Tag, hilft uns trotz allem. Viele berichten, wie sehr ihnen Spaziergänge in der Natur geholfen haben während der Zeit der Isolation. Ich sehe es wie Papst Franziskus: Wir können nicht ganz gesund sein, wenn die Erde krank ist. 

Wir brauchen wieder Verbindung von allen Zentren, neben dem Verstand auch Gefühl und Intuition.
Frauen haben dazu naturgemäß leichteren Zugang. Auch hier geht es wiederum nicht um besser oder schlechter sondern um dass beides zusammenkommt. Wir brauchen sowohl das „zerschneidende“, aktive Männliche, das zielstrebig agiert als auch das passive, empfangende Weibliche, das warten kann, bis die Zeit reif ist. Aus der Verbindung von Männlich und Weiblich entsteht etwas Neues.

Wir werden gerade geheilt von unserem „Machbarkeitswahn“ und sehen – auch durch immer mehr Naturkatastrophen, dass wir die Erde nicht beherrschen können und immer den Naturgesetzen unterliegen. Auch hier will etwas nur ablenken von den eigentlichen, ernsteren Themen: Tatsächlich geht es darum, ob die Erde bewohnbar bleibt.

Wir brauchen Mut, unsere Fehler und unsere Ohnmacht einzugestehen, Mut zum Nichtwissen, Mut zur Offenheit, Mut zur Veränderung, Mut zum Nein, Mut zum Ja – zu diesem Geschenk und spannenden Abenteuer des Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen, Chancen und Risiken.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir uns vorgestellt haben und auf das einlassen, das auf uns wartet. Menschsein meint mehr, als nur Erfolg im Job, viel Besitz und eine sichere Rente. Jeder bringt etwas Einzigartiges in die Welt. Das gilt es zu entdecken – ein menschliches Wunderwerk mit allem was dazugehört, eine Lebensgeschichte die erzählt werden und ein Schicksal, das sich erfüllen möchte. So entdecken wir vielleicht auch den Zauber dieser Welt wieder, mit der wir untrennbar verbunden sind. Dann können aus der Krise große Chancen wachsen.

Und auch mit dem einzigen, was sicher ist in unserem Leben, sollten wir uns beschäftigen: dass wir nur eine begrenzte Zeit hier sein dürfen. Auf diesen unvermeidlichen Abschied gilt es sich auch vorzubereiten. Der Anfang und das Ende, Geburt und Tod sind die wichtigsten Ereignisse. Wenn ich so lebe, dass jeder Moment auch mein letzter sein könnte, gewinnt das Leben ganz neue Qualitäten.

Neulich hörte ich von einer 92jährigen, die solche Angst vor Corona hat, dass sie sie sich gar nicht mehr auf die Straße traut. Sie begegnete einer Mitbewohnerin des Seniorenheims, die sogar zu den Zeiten, wo man noch nicht um die Harmlosigkeit des Virus wußte, nie auf Außenkontakte verzichtete und zu ihr sagte: „Also ich habe mein Leben gelebt und bin bereit zu was auch immer. Wenn Gott nun vorgesehen hat, dass ich an dem Virus sterbe, dann nehme ich das so als mein Schicksal.“ Mich hat das tief berührt. Und auch die Geschichte von einer 94jährigen, die in einem Pflegeheim isoliert wurde, um sie zu schützen. Doch sie beschloß, dass sie so nicht leben will, hörte auf zu essen und starb recht schnell.

Macht euch nicht so viel Sorgen um die Kinder. Das schwächt sie nur. Sonst produziert ihr nur noch mehr angepasste Jasager, die alle Schwierigkeiten vermeiden wollen. Traut es ihnen auch zu. Sie haben sich diese Zeit, diese Welt und diese Familie ausgesucht, um zu wachsen. Unterstützt sie, aber macht ihnen klar, dass auch ihr manches nicht ändern könnt. Ermutigt sie, sich zu wehren durch euer eigenes Vorbild. Das Wichtigste ist, dass ihr gut für euch selber sorgt. Wir Eltern sind die Wurzeln unserer Kinder, es kann ihnen nur so gut gehen wie diesen.

In so ungewissen Zeiten ist es gut, eine Art von Insel zu finden, um der Ungewissheit und den Stürmen begegnen zu können. Die findet man nicht im Außen sondern in sich selber. Dabei helfen Momente der Stille, vielleicht des Gebets oder einfach ein Danke an die Natur, die unbeeindruckt von unserem Chaos erblüht. Man kann sich selber und andere immer wieder ermutigen – so wie der Physiker Prof. Hans-Peter Dürr, der einer der letzten Universalgelehrten unserer Zeit war: „Wir müssen aussäen, immer wieder aussäen, auf Asphalt, auf Trümmern. Irgendwann wird der Same wachsen.“ In diesem Satz zeigt sich wieder die Verbindung – das Säen als aktive Handlung, doch das Wachsen muss dann geschehen, das können wir nicht machen.


Für die Eltern habe ich zum Schluß noch ein schönes Zitat vom Dalai Lama: „Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr, der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten. Er braucht Menschen mit Zivilcourage, bereit sich dafür einzusetzen, die Welt lebenswert und menschlich zu gestalten.Diese Qualitäten haben wenig mit der Art Erfolg zu tun, die in unseren Kulturen verbreitet ist.“

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Die Krise als Chance?

Gaby Kerscher, Psychologin und Gastautorin, Rede vom Mai 2020

Ich spreche hier als kritisch denkender Mensch, als Frau, als Mutter und als Psychologin. Mich hat das, was in den letzten Wochen passiert ist, sehr beschäftigt und aufgewühlt und ich möchte Euch einige meiner Gedanken dazu mitteilen.
Wir befinden uns als westliche Zivilisation in einer Krise – und zwar nicht erst seit Corona.
Als Psychologin kann ich sagen, dass in einer Krise überwunden geglaubte, alte Muster auftauchen, gehört dazu, ist ein ganz normaler Vorgang – und auch, dass diese Muster in besonders ausgeprägter, übersteigerter Form auftreten, ist typisch. Wir erleben es gerade auf ganz vielen Ebenen:

Staaten kehren zum Nationalismus zurück, beschließen einseitige Maßnahmen, autoritäre und paternalistische Tendenzen kommen wieder, die ich noch gut aus meiner Kindheit in den 60er-Jahren kenne – „wir wissen, was gut für dich ist und sorgen für Dich – notfalls auch gegen Deinen Willen“, in der Wissenschaft treten wieder reduktionistische, eindimensionale Ansätze in den Vordergrund: alles dreht sich nur um das Virus und seine Bekämpfung. Das sind Vorstellungen aus dem 19.Jahrhundert – ich empfehle hierzu den Wikipedia-Beitrag über Robert Koch (https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Koch)

Aber auch bei mir und vielen, die jetzt anders denken, habe ich alte Reflexe bemerkt:d as Gefühl der Ohnmacht dem Staat gegenüber, der Eindruck: jetzt ist das da, was wir immer befürchtet haben – dann der Widerstand: das lassen wir uns nicht bieten, wir werden für unsere Freiheit kämpfen! 

Mich hat ein Text des Wirtschaftlers und Philosophen Charles Eisenstein mit dem Titel „Die Krönung“ – im Internet nachzulesen (https://charleseisenstein.org/essays/die-kronung/) – sehr inspiriert und zum Nachdenken gebracht.
Könnte es nicht sein, fragt er, dass jenseits aller Fakten, die möglicherweise tatsächlich für eine geplante Inszenierung sprechen, einfach die Versuchung zu groß war, in dieser Krise endlich wieder mit dem Erfolg haben zu können, was unsere westliche Kultur am besten kann: Kontrolle und Kampf – das kriegerische Vokabular in den letzten Wochen spricht für sich. 

Und unterliegen wir, wenn wir uns einer Verschwörung gegenübersehen und sie bekämpfen wollen, nicht genau dem gleichen Denken? Die einen haben Angst vor der Krankheit, die anderen vor den Maßnahmen dagegen – was uns vereint ist die Angst (die in beiden Fällen auch einen begründeten Anteil hat, das möchte ich nicht abstreiten).
Was uns verbindet, ist auch, dass wir das Problem im Außen sehen und es bekämpfen wollen. Beides beruht auf einer Vorstellung von Getrenntheit. 

Natürlich besteht in einer Krise immer die Gefahr, in alten Mustern stecken zu bleiben. Das erleben wir gerade, wenn die Regierung ihr einseitiges Denken in Gesetzesentwürfe gießt, die sie in wenigen Wochen durchbringen will.
Die Gefahr besteht aber auch bei uns, bei den Formen, die wir für unseren Widerstand wählen.
Ich erinnere mich mit Schrecken an das, was ich vor vielen Jahren in Wackersdorf erlebt habe. Das hat sich sehr nach Krieg angefühlt – ich möchte nicht wieder Teil einer solchen Entwicklung sein. 

Eine Krise bietet aber immer auch die Chance, neue, andere Wege zu gehen – denn wenn die bisherigen gut funktioniert hätten, wäre die Krise ja vermutlich gar nicht gekommen.
Ich möchte nicht darin stecken bleiben, gegen etwas zu kämpfen – wir haben zu oft erlebt, dass wir damit auch dem Energie geben, das wir eigentlich nicht haben wollen. Ich möchte, dass wir herausfinden für was wir uns einsetzen wollen. 

Ein paar für mich wichtige Punkte kann ich für mich schon einmal nennen:
Die momentane Situation führt uns überdeutlich vor Augen, wie wenig demokratisch unsere Demokratie eigentlich ist: da wird ein Thema verhandelt, das zur Zeit der letzten Wahl noch gar nicht auf der Agenda stand, und es ist nicht vorgesehen, dass wir dazu befragt werden. 

Lasst uns unsere Demokratie demokratischer machen, Ansätze dafür gibt es! Grundlegende Entscheidungen, die in unser aller Leben eingreifen, egal ob es den Umgang mit Krankheit, mit neuen Technologien wie 5G und Gentechnik oder die Art des Wirtschaftens angeht, sollten wir nicht mit einer Wahl alle paar Jahre aus der Hand geben. 

Ein Modell, das mich da sehr berührt hat, sind die Bürgerforen in Irland, mit denen an für die dortige Gesellschaft so heiklen Fragen wie dem Abtreibungsrecht und der sogenannte Homo-Ehe gearbeitet wurde. 

Die derzeitige Situation zeigt auch, wo wir als angeblich so aufgeklärte Gesellschaft unsere Fundamentalismen haben: beim Thema Gesundheit!
Warum lassen wir zu, daß im Gesundheitssystem verschiedene medizinische Ansätze gegeneinander ausgespielt werden? Wir als Bürgerinnen und Bürger können eigentlich nur ein Interesse haben: dass alle Ansätze zugunsten unserer Gesundheit zusammenarbeiten. 

Die Schulmedizin kennt derzeit kein Vorbeugungs- oder Heilmittel gegen Corona. Warum arbeiten nicht Schul- und Alternativmedizin in dieser Frage zusammen und nutzen alles Wissen und jede Erfahrung, die vorhanden sind? Von geistigem Heilen will ich da noch gar nicht reden. 

Als ich mir vorstellte, es würden jetzt fachübergreifende Arbeitskreise gebildet, in denen z.B. Ärzte/Ärztinnen und Heilpraktiker/-Innen verschiedenster Fachrichtungen sich austauschen und über Vorgehensweisen beraten, da kam mir die Idee ähnlich unwahrscheinlich vor, wie dass Israeli und Palästinenser sich zusammensetzen und gemeinsam ein Konzept für ihre Religion entwickeln. 

Die Abschaffung des Heilpraktiker-Gesetzes und der ärztlichen Zusatzbezeichnung Homöopathie sind auch schon in der Diskussion. Wollen wir uns darauf beschränken, diese Gesetze zu verhindern? Lasst uns für eine grundsätzlich freie Wahl der Behandlung und eine gleichwertige Zusammenarbeit aller Heilberufe eintreten! 

Ein Wort, das in den letzten Wochen immer mal gefallen ist, bei dem es mir jedesmal kalt den Rücken runterläuft, ist das Wort „ausrotten“. Wahlweise die Krankheit oder das Corona-Virus soll ausgerottet werden. Ja, unsere westliche Kultur kennt sich nicht nur mit Kontrolle und Kampf aus, sie hat auch Jahrhunderte alte Erfahrungen im „Ausrotten“, basierend auf einer Ideologie der Überlegenheit. Es ist – Gott sei Dank – nicht immer gelungen, aber die Folgen waren immer verheerend. Und die Idee, auch mit der schlimmsten Gewalt einer guten Sache zu dienen, war immer ähnlich: Das war die Grundlage der Kreuzzüge, der Inquisition, der Hexenverbrennungen, der Kolonisation, in deren Rahmen Millionen von Ureinwohner/-Innen ihr Leben verloren, das betraf aber auch unsere großen heimischen Wildtiere und bedroht inzwischen alle menschlichen Kulturen, die nicht dem westlichen Modell folgen und unendlich viele nicht-menschliche Wesen und Arten. 

Dieses Denken hat u.a. zu all den immensen Problemen geführt, vor denen wir heute stehen. Wir werden sie nicht mit dem gleichen Denken lösen, auch wenn wir alles Geld investieren, das wir haben und alle Möglichkeiten der Kontrolle und Gewalt einsetzen, die uns zur Verfügung stehen. 

Lasst uns das Recht auf Leben und unantastbare Würde endlich auf alle Menschen beziehen und auch auf die nicht-menschlichen Wesen. Auch sie haben ein Recht auf Leben und Würde! Wir haben das Wesen und die Aufgabe der Viren bisher erst ansatzweise verstanden. Wie können wir uns anmaßen einige von ihnen ausrotten zu wollen? Lasst uns den Platz in der Schöpfung einnehmen, der uns angemessen ist, als gleichwürdiger Teil – das Recht auf eine Krone müssten wir uns erst noch erwerben, indem wir nicht nur unsere Möglichkeiten erweitern, sondern im gleichen Umfang unsere Verantwortlichkeit. Vielleicht hilft uns ja Corona dabei? – Corona heißt ja Krone! 

Diese Krise hat uns jedoch nicht nur in alte Muster zurückgeworfen, sie hat uns auch zu grundlegenden Themen unseres Menschseins zurückgeführt: Zu unserer Fähigkeit zur Empathie und der Notwendigkeit von sozialem Miteinander, zu den Bedingungen für unser Leben, auf die wir nicht verzichten können. 

Lasst uns nicht beim „Klatschen“ für die „systemrelevanten“ Berufe stehenbleiben – diese Berufe sind nicht für das System relevant, diese Tätigkeiten sind die Voraussetzung für unser menschliches Leben! Lasst uns die Gesellschaft umgestalten, die Tätigkeiten der Fürsorge, des Nährens und Heilens, ohne die kein Leben möglich wäre, ins Zentrum stellen. Da ist es mit einer Gehaltserhöhung für Pflegeberufe nicht getan – das betrifft die Grundorganisation unserer Gesellschaft. 

Wollen wir es beibehalten, daß ein großer Teil dieser Tätigkeiten unbezahlt verrichtet wird und die hauptsächliche Lösung darin zu bestehen scheint, diese Aufgaben nicht mehr selbst zu tun, sondern auf Institutionen zu übertragen (Kindergärten, Alten-und Pflegeheime, Einrichtungen für Behinderte)? 

Es war in den letzten Jahren – zum Glück! – viel über artgerechte Tierhaltung die Rede. Ich möchte die provokante Frage stellen: leben wir Menschen eigentlich artgerecht? Ist das wirklich „artgerecht“, uns nach einheitlichen Gruppen zu sortieren (Kinder, Alte, Menschen mit den verschiedensten Einschränkungen), nur weil es scheinbar am effizientesten ist? Ließe sich das nicht auch anders organisieren? Was entspricht im sozialen Miteinander unserer Vorstellung eines guten Lebens? 

Diese Krise bietet uns auch immense Chancen. Lasst uns nicht denken, es gehe um Standpunkte und welche sich durchsetzen werden, lasst uns nicht denken, es gäbe schon die Modelle, die Lösungen zu allen Fragen bieten. Wie gefährlich das sein kann, zeigt die Geschichte. 

Im Moment scheint mir unsere wichtigste Aufgabe zu sein, die Unsicherheiten und Unwägbarkeiten der momentanen Situation auszuhalten und im Innen und im Außen den Raum offenzuhalten für einen Prozess, dessen Ergebnis wir noch nicht kennen, der aber auch die Möglichkeit beinhaltet zu allem Positiven, von dem wir bisher nicht einmal zu träumen wagten. 

In gekürzter Form erschien dieser Text in der OHA-Zeitung aus dem Pfaffenwinkel Nr. 465 im August 2020

"Wir müssen aussäen, immer wieder aussäen, auf Asphalt, auf Trümmern.
Irgendwo wird der Same wachsen."

Hans-Peter Dürr